In den grauen Anfängen der Zeit, als es weder Erde noch Himmel, weder Sterne noch Sonne gab, existierte nur das große, endlose Nichts – das Ginnungagap. Dieses klaffende Leere lag zwischen zwei gewaltigen Bereichen: im Süden das heiße Muspelheim, das mit Feuer und glühender Hitze gefüllt war, und im Norden das kalte, frostige Niflheim, ein Reich aus Eis, Nebel und Frostquellen. Hier, in der Mitte des Ginnungagaps, begannen die Elemente aufeinanderzutreffen, und so nahm das Wunder der Schöpfung seinen Lauf.
Aus der Mitte des Ginnungagaps, wo das glühende Feuer Muspelheims und die eisige Kälte Niflheims sich begegneten, entstand der erste Riese – Ymir. Ymir, der Ur-Riese, war das erste lebendige Wesen in dieser neuen, wilden Welt. Er wurde geboren aus den Tropfen des schmelzenden Eises, als das Feuer auf die eisigen Frostkristalle traf und das Wasser Leben erschuf. Ymir war gewaltig, und in seinem Schlaf schwitzte er, wodurch neue Riesen aus seinem Körper hervorgingen: Aus seinem linken Arm wuchsen ein Mann und eine Frau, und seine Beine brachten einen sechsköpfigen Sohn hervor. So begann das Geschlecht der Riesen, mächtige, wilde Kreaturen, die eine grundlegende Rolle in der Geschichte der nordischen Mythen spielten.
Doch Ymir war nicht das einzige Wesen, das durch die Verschmelzung von Feuer und Eis entstanden war. Gleichzeitig mit ihm wurde auch die heilige Kuh Audhumbla geboren. Audhumbla, die Urkuh, war die Lebensspenderin. Aus ihren gewaltigen Eutern flossen vier Ströme von Milch, die Ymir nährten und ihm halfen, am Leben zu bleiben. Audhumbla selbst fand Nahrung, indem sie das salzige Eis ableckte. Mit jeder Schleckbewegung enthüllte sie etwas, das sich im Frost versteckte. Am ersten Tag erschienen die Haare, am zweiten Tag ein Kopf, und schließlich, am dritten Tag, trat ein ganzer Mann hervor – Buri, der erste der Götter und der Stammvater der zukünftigen Götterfamilie.
Buri zeugte einen Sohn namens Borr, der später die Riesin Bestla heiratete. Zusammen bekamen sie drei Söhne: Odin, Vili und Ve. Diese drei Brüder wurden die ersten Götter, die die Schöpfung selbst in die Hand nahmen. Sie erkannten, dass die Welt, wie sie existierte, ungestaltet und unbeherrscht war, und dass der chaotische Ur-Riese Ymir eine Bedrohung für ihre Pläne darstellte. So beschlossen Odin, Vili und Ve, Ymir zu töten und aus seinem gewaltigen Körper die Grundlage für die Welt zu schaffen.
Ein schrecklicher Kampf entbrannte, und schließlich besiegten die Brüder den Ur-Riesen. Ymir starb, und aus seinem Körper entstanden die Grundelemente der Welt: Aus seinem Blut wurden die Meere und Flüsse, aus seinem Fleisch das Land, aus seinen Knochen die Berge, und aus seinen Zähnen und zerbrochenen Knochen Splittern formten sie Steine und Felsen. Ymirs Schädel wurde zum Himmel, und Odin, Vili und Ve platzierten ihn über die neue Welt und hielten ihn an den vier Ecken mit gewaltigen Zwergen – Nordri, Sudri, Austri und Vestri.
Doch der Himmel allein reichte nicht. Die Brüder nahmen Funken aus dem feurigen Muspelheim und setzten sie als Sterne und Sonne an den Himmel, um die Welt zu erleuchten. Aus Ymirs Gehirn formten sie die Wolken, die sich über die neue Welt ausbreiten sollten. Damit schufen sie eine Welt, die aus der Dunkelheit hervorging und nun durch die Sonne und die Sterne erhellt wurde.
Als die Welt geformt war, teilten die Brüder sie in verschiedene Bereiche auf. In der Mitte schufen sie Midgard, die Welt der Menschen, die von einem gewaltigen Ozean umgeben war. Um Midgard vor den wilden Riesen zu schützen, errichteten sie eine gewaltige Schutzmauer aus Ymirs Augenbrauen, die als Barriere diente. Midgard war somit das Zentrum der menschlichen Existenz und von einer göttlichen Mauer umgeben, um die Menschen vor den Gefahren des Chaos zu bewahren.
Über Midgard, hoch im Himmel, schufen Odin, Vili und Ve Asgard, die Welt der Götter. Hier sollten die Asen wohnen, die neuen Götter, die über die Welt wachen und die Ordnung aufrechterhalten würden. Asgard und Midgard waren über die Regenbogenbrücke Bifröst verbunden, die eine Passage zwischen der göttlichen und der sterblichen Welt darstellte. Die Brücke war eine symbolische Verbindung zwischen den Göttern und den Menschen, die ihre gemeinsamen Schicksale und Abhängigkeiten aufzeigte.
Nachdem sie Midgard und Asgard geschaffen hatten, fanden die Brüder zwei Baumstämme am Ufer des Meeres. Aus diesen Stämmen schufen sie die ersten Menschen: Ask und Embla. Odin gab ihnen den Lebensatem, Vili schenkte ihnen Verstand und Gefühle, und Ve gab ihnen Gestalt und Sinne. So erwachten die ersten Menschen zum Leben und wurden in Midgard angesiedelt, um die Welt zu bevölkern und im Einklang mit den Naturgesetzen und den Göttern zu leben.
Nachdem die grundlegenden Welten geschaffen waren, wurde die gesamte Schöpfung durch den gewaltigen Weltenbaum Yggdrasil zusammengehalten. Yggdrasil ist die mächtige Esche, die alle neun Welten verbindet – Asgard, Midgard, Vanaheim, Jotunheim, Alfheim, Svartalfheim, Muspelheim, Niflheim und Helheim. Diese Welten sind alle durch die Äste und Wurzeln Yggdrasils miteinander verbunden, was die Verwobenheit aller Existenz in der nordischen Mythologie symbolisiert.
Yggdrasil steht im Zentrum des Universums und ist der Schauplatz vieler wichtiger Ereignisse. Seine Wurzeln reichen tief in verschiedene Welten – eine nach Asgard, wo der Urdbrunnen liegt, der Brunnen des Schicksals, an dem die Nornen die Fäden der Zukunft spinnen. Eine weitere Wurzel reicht nach Jotunheim, der Welt der Riesen, und die dritte nach Niflheim, wo der Brunnen Hvergelmir liegt, die Quelle aller Flüsse. Yggdrasil verbindet das Göttliche, das Menschliche und das Chaotische und ist das lebendige Symbol für den Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt.
Die Erschaffung der Welt in der nordischen Mythologie ist eine Geschichte voller Kontraste – Feuer und Eis, Chaos und Ordnung, Tod und neues Leben. Aus der Leere des Ginnungagaps entstand durch die Verschmelzung der Elemente der Ur-Riese Ymir und die heilige Kuh Audhumbla, die wiederum den Weg für die ersten Götter öffneten. Odin, Vili und Ve erschufen aus Ymirs Körper die Welt und gaben ihr Form und Ordnung. Sie schufen die Menschen aus Baumstämmen, errichteten die neun Welten und stellten sicher, dass alles durch den Weltenbaum Yggdrasil miteinander verbunden war. Diese Erzählung zeigt die tiefe Verbundenheit der nordischen Mythen mit der Natur, dem Schicksal und der ewigen Balance zwischen den Kräften des Lebens und des Todes.
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