In der nordischen Mythologie gibt es zahlreiche Götter mit überwältigender Kraft, göttlicher Weisheit oder imposanter Erscheinung. Namen wie Odin, Thor oder Loki sind den meisten Menschen ein Begriff. Doch es gibt auch jene, die in den Erzählungen eine ebenso entscheidende Rolle spielen, aber weniger oft im Rampenlicht stehen. Einer dieser verborgenen Helden ist Hermod, der Götterbote und furchtlose Reisende zwischen den Welten.
Hermod ist bekannt als "Hermóðr inn hugprúði", was so viel bedeutet wie „Hermod der Mutige“. Sein größtes Abenteuer – und wohl das wichtigste Ereignis seiner Mythologie – ist seine legendäre Reise nach Hel, um Baldur, den geliebten Sohn Odins, aus dem Reich der Toten zurückzuholen. Seine Geschichte ist eine der Loyalität, des Mutes und der Verhandlungskunst, aber auch eine der Tragik und der Unvermeidbarkeit des Schicksals. Doch was macht Hermod so besonders? Warum wurde er als Bote Odins ausgewählt, und welche Bedeutung hatte er für die Wikinger?
Hermod nimmt in der nordischen Götterwelt eine besondere Stellung ein. Er ist kein Herrscher wie Odin, kein mächtiger Krieger wie Thor und kein listiger Trickster wie Loki – doch seine Funktion ist ebenso essenziell.
Er wird oft als Bote der Götter beschrieben, insbesondere als persönlicher Diener Odins, der Nachrichten zwischen den Welten überbrachte. Sein wohl größter Einsatz ist seine Reise nach Hel, die in der Prosa-Edda von Snorri Sturluson ausführlich beschrieben wird. Hier zeigt sich sein Mut, seine Loyalität und seine unerschütterliche Entschlossenheit, einen der geliebtesten Götter zurückzuholen.
In einigen Darstellungen gilt Hermod auch als Gott der Geschwindigkeit und des Reisens. Er reitet Sleipnir, Odins achtbeiniges Pferd, und überwindet mit unglaublicher Schnelligkeit die gewaltigen Distanzen zwischen den Welten. Dies macht ihn zu einem Vermittler zwischen den Dimensionen, vergleichbar mit dem griechischen Gott Hermes.
Die bedeutendste Erzählung über Hermod ist seine Reise ins Reich der Toten, um Baldur, den Sohn Odins, zu retten. Diese Geschichte ist eines der dramatischsten Kapitel der nordischen Mythologie und zeigt, dass nicht einmal die Götter dem Schicksal entkommen können.
Baldurs Tod – Der Auslöser der Heldenreise
Baldur, der strahlende und beliebte Gott des Lichts, wurde durch eine Intrige Lokis getötet. Nach seinem Tod begaben sich die Asen in tiefer Trauer auf seine Bestattungszeremonie und überlegten, ob es eine Möglichkeit gäbe, ihn zurückzubringen.
Odin, der weise Allvater, entschied, dass jemand ins Totenreich von Hel reisen müsse, um mit der Herrscherin Hel zu verhandeln. Dieser Auftrag war gefährlich und furchteinflößend – doch Hermod, mutig wie er war, erklärte sich bereit, diese gewaltige Aufgabe zu übernehmen.
Der Ritt auf Sleipnir und die Reise nach Helheim
Ausgestattet mit Odins treuem Pferd Sleipnir, dem schnellsten und mächtigsten Ross der neun Welten, machte sich Hermod auf den Weg. Er überquerte die Gjallarbrücke, die von der furchteinflößenden Wächterin Modgudr bewacht wurde. Sie fragte ihn nach seinem Anliegen und ließ ihn schließlich passieren, da er lebendig, aber furchtlos war – eine Seltenheit in Helheim.
Als er schließlich vor die Göttin Hel trat, sprach er in Namen aller Asen und bat darum, Baldur freizugeben. Hel, die Herrscherin des Totenreichs, stellte eine Bedingung: Wenn alle Lebewesen der neun Welten um Baldur weinen würden, dann könnte er zurückkehren.
Hermod nahm die Nachricht auf und kehrte nach Asgard zurück, doch die Geschichte nahm eine tragische Wendung. Eine einzige Kreatur, eine Riesin namens Thökk (von vielen als Loki in Verkleidung angesehen), weigerte sich zu weinen – und so blieb Baldur für immer in Hel gefangen.
Diese Reise war ein Schlüsselmoment in der Mythologie und zeigte, dass selbst die größte Anstrengung das Schicksal nicht immer ändern kann. Hermod hatte alles getan, doch am Ende blieb Baldur verloren.
Hier kannst du die gesamte Geschichte von Baldurs Tod lesen.
Hermod war eine inspirierende Figur für die Wikinger, denn er verkörperte Tugenden, die in ihrer Gesellschaft hochgeschätzt wurden. Sein Mut, sich einer gefährlichen und nahezu unmöglichen Mission zu stellen, zeigte, dass wahrer Heldenmut nicht nur auf dem Schlachtfeld existierte, sondern auch in der Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, selbst wenn die Chancen auf Erfolg gering waren. Er stand für eine unerschütterliche Loyalität, denn obwohl er wusste, dass die Reise nach Hel gefährlich war, zögerte er nicht, sie anzutreten.
Seine Tat machte ihn zu einem Sinnbild für Entschlossenheit und Durchhaltevermögen. Er überwand Hindernisse, stellte sich der finsteren Göttin Hel und überbrachte die Bedingung für Baldurs Freilassung. Selbst als er mit der Nachricht zurückkehrte und sich herausstellte, dass Baldur nicht befreit werden konnte, hatte er seine Pflicht erfüllt. In der Wikingerzeit galten solche Eigenschaften als essenziell für einen ehrbaren Krieger oder Anführer. Der Mut, sich in die Dunkelheit zu wagen, um Licht und Hoffnung zurückzubringen, spiegelt genau das wider, was die Wikinger in ihren Heldenliedern und Sagas verehrten.
Hermod symbolisierte auch die Fähigkeit, zwischen den Welten zu reisen, sei es zwischen Asgard und Helheim oder zwischen der Welt der Götter und jener der Menschen. Er war nicht nur ein Bote, sondern auch ein Vermittler, der schwierige Botschaften überbrachte und sich der Verantwortung stellte, selbst wenn es keine einfachen Lösungen gab. Seine Geschichte lehrt, dass nicht jede Reise erfolgreich sein muss, um von Bedeutung zu sein – es ist die Entschlossenheit, sie zu unternehmen, die den wahren Wert eines Kriegers oder Boten ausmacht.
Obwohl er in der nordischen Mythologie eine wichtige Rolle spielte, wird Hermod heute oft übersehen. Während Thor und Odin in Filmen, Büchern und Spielen prominent vertreten sind, bleibt Hermod meist im Schatten der populäreren Götter.
Doch für jene, die sich tiefer mit der nordischen Mythologie beschäftigen, ist Hermod eine faszinierende Figur – ein göttlicher Bote, ein unerschrockener Reisender zwischen den Welten und ein Held, der sich selbstlos für andere opferte.
Er kann als ein Symbol für Durchhaltevermögen, innere Stärke und die Bereitschaft, für das Wohl anderer zu kämpfen gesehen werden. Wer heute mit Herausforderungen oder schwierigen Reisen konfrontiert ist, kann in Hermod eine Quelle der Inspiration finden.
Die Parallelen zwischen Hermod und Hermes, dem griechischen Götterboten, sind bemerkenswert und werfen die Frage auf, ob es eine tiefere Verbindung zwischen diesen beiden mythologischen Figuren gibt. Beide sind als göttliche Überbringer von Nachrichten bekannt, beide reisen mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit zwischen den Welten, und beide haben eine enge Verbindung zu den Reichen der Toten.
Hermes, der Götterbote des Olymp, hatte die Aufgabe, Botschaften zwischen den Göttern und den Menschen zu überbringen, ähnlich wie Hermod in der nordischen Mythologie als Vermittler zwischen den Asen und den anderen Welten fungierte. Hermes war zudem ein Psychopompos, ein Seelenführer, der Verstorbene in die Unterwelt brachte oder sie auf ihren Wegen begleitete. Hermod hatte in der nordischen Überlieferung eine ähnliche Rolle, als er als einziger lebender Asengott in das Reich der Toten ritt, um Baldur zurückzuholen.
Ein weiterer interessanter Vergleich ist ihre Verbindung zur Geschwindigkeit und zum Reisen. Während Hermes für seine geflügelten Sandalen bekannt war, die es ihm ermöglichten, mit unglaublicher Schnelligkeit zwischen Himmel, Erde und Unterwelt zu wechseln, reitet Hermod auf Sleipnir, dem achtbeinigen Pferd Odins, das ebenfalls als eines der schnellsten Wesen der nordischen Mythologie galt. Beide sind daher nicht nur Boten, sondern auch übernatürliche Reisende, die zwischen den verschiedenen Ebenen der Existenz vermitteln können.
Ob diese Ähnlichkeit auf einen gemeinsamen Ursprung in einer älteren indogermanischen Mythologie zurückzuführen ist oder ob sie sich unabhängig voneinander entwickelten, bleibt unklar. Doch die Tatsache, dass zwei weit voneinander entfernte Kulturen eine so ähnliche Gottheit hervorgebracht haben, zeigt, wie wichtig die Rolle eines Vermittlers zwischen den Welten für das spirituelle Verständnis der Menschen war. Sowohl Hermod als auch Hermes symbolisieren nicht nur den physischen, sondern auch den spirituellen Übergang – sei es in Form einer Botschaft, einer Reise oder einer Erkenntnis, die von einer Welt in die andere getragen wird.
Hermod ist eine einzigartige Figur in der nordischen Mythologie. Als Götterbote und mutiger Abgesandter Odins bewies er außergewöhnlichen Mut, als er sich auf die Reise nach Hel begab, um Baldur zu retten. Obwohl seine Mission letztlich scheiterte, bleibt seine Geschichte eine eindrucksvolle Darstellung von Loyalität, Tapferkeit und der Unausweichlichkeit des Schicksals.
Für die Wikinger war Hermod ein Vorbild – ein Symbol für Stärke in schwierigen Zeiten und für den Mut, sich selbst größten Herausforderungen zu stellen. Heute ist er zwar weniger bekannt als andere Götter, doch seine Geschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Werte, die in der nordischen Kultur hochgehalten wurden. Ob als göttlicher Bote, Seelenführer oder Sinnbild für unerschütterlichen Mut – Hermod ist und bleibt ein Held der nordischen Mythologie.
Dir gefällt der Blog und unsere Arbeit?
Dann unterstütze unsere Arbeit, Recherche und unser Projekt "NorseStory - auf den Spuren der Wikinger" gerne in Patreon. Mit einem kleinen Beitrag kannst du auf exklusive Inhalte zugreifen und unserer Arbeit honorieren.
Ein paar weitere Leseempfehlungen für dich - oder wähle deine nächste Kategorie im Wikinger Blog:
Blog Übersicht | Wikinger Runen | Wikinger Götter | Wikinger Symbole | Wikinger Welten | Wikinger Tiere | Wikinger Begriffe | Wikinger Kräuter | Wikinger Feiertage | Wikinger Geschichten | Wikinger Personen | Wikinger Waffen | Wikinger Rituale | Wikinger Berufe | Wikinger Edelsteine | Wikinger Ereignisse | Wikinger Farben
Trage dich ein und du wirst über spannende Updates, neue Inhalte und Neuaufnahmen für unser Produktsortiment informiert. Hole die Wikinger in deinen Posteingang.
Durchsuche den Wikinger Blog
Blog Kategorien
>> Blog Übersicht
>> Wikinger Runen
>> Wikinger Götter
>> Wikinger Symbole
>> Wikinger Welten
>> Wikinger Tiere
>> Wikinger Begriffe
>> Wikinger Kräuter
>> Wikinger Feiertage
>> Wikinger Geschichten
>> Wikinger Personen
>> Wikinger Waffen
>> Wikinger Rituale
>> Wikinger Berufe
>> Wikinger Edelsteine
>> Wikinger Ereignisse
>> Wikinger Farben
Shop Produkte
Mehr von uns